Unmittelbar nach der Grenzöffnung zur DDR profitieren die grenznahen Baumärkte bereits vom Bedarf der DDR-Bürger. Neben Feinkost-Lebensmitteln, die es in der DDR nicht gab, sind vor allem DIY-Materialien die Objekte der Begierde. Und da ist dann die DIY-Branche hellwach.
Schon nach Verkündigung der Gewerbefreiheit im Januar 1990 durch die Modrow-Regierung knüpfen die deutschen Handelsfilialisten, auch die der DIY-Branche, erste Kontakte zu möglichen Partnern in der DDR. Schon vor den ersten freien Wahlen ist klar, dass die Wiedervereinigung greifbar nahe ist. Folglich stehen die Baumarkt-Fürsten des Westens Gewehr bei Fuß: Nach der Wahl im März beginnt ein beispielloses Windhundrennen in die DDR.
Dabei verschärfen die Baumarktunternehmen durch ihr Expansionstempo die Lage selbst. Jedes Baumarkt-Unternehmen weiß, dass das ungezügelte Flächenwachstum zu einem Überangebot führen wird, das den Kollaps einiger Unternehmen zur Folge haben wird. Doch jedes Unternehmen expandiert lustig weiter. Standortsicherung statt Vernunft: Seit Mitte des Jahrzehnts ist der Ausleseprozess in vollem Gange!
Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks entsteht seit 1990, eingebunden in den politischen Systemwandel und in komplizierte marktwirtschaftliche Transformationsprozesse, in den osteuropäischen Reformländern und den ehemaligen Staaten der Sowjetunion unter aktiver Beteiligung deutscher Unternehmen allmählich eine eigenständige DIY-Handelsszene. Pioniere bei der Erschließung dieser gewaltigen neuen Marktpotenzen sind Bauhaus, E/D/E, Globus, Götzen, NBB, OBI, Praktiker und TTW. Den Startschuss für die Expansion in Osteuropa gab dabei NBB am 28.3.1992 mit der Eröffnung des ersten polnischen bauSpezi Wroclaw. Seit Mitte der 90er-Jahre finden sich die meisten osteuropäischen Reformstaaten auf stabilen volkswirtschaftlichen Wachstumspfaden. Polen, Slowenien, Tschechien und Ungarn sind dabei, sich zu wahren marktwirtschaftlichen Musterknaben zu entwickeln. Die Bedingungen für eine flächendeckende Baumarktansiedlung in diesen Ländern werden immer besser. Damit zeichnet sich eine neue, international geprägte Expansionswelle ab.
Auch die anderen Handelsbranchen aus Westdeutschland sind schnell im Osten. Aus gutem Grund. Nach den bereits erwähnten massiven Steuer- und Abgabenerhöhungen ist die Kauflust im Westen gesunken.
Die Do-it-yourself-Branche hat bisher von geringeren Einkommenssteigerungen und kurzfristiger Arbeitslosigkeit, das zeigen die vergangenen Jahrzehnte, eher profitiert. Denn geringere Einkommen zwingen zu mehr Eigenleistung, z. B. beim Renovieren, um Geld zu sparen. Kurzfristige Arbeitslosigkeit schafft die nötige Freizeit, um diese Vorhaben auch auszuführen. Doch diesmal ist die Situation anders: Die Einkommen stagnieren auf Jahre hinaus, und die Arbeitslosigkeit ist keine vorübergehende konjunkturelle Erscheinung, sondern ein Strukturproblem. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes erfasst große Bevölkerungsteile.
Was der übrige Einzelhandel schon eine ganze Weile zu spüren bekommt, nämlich Unsicherheit und Angst der Verbraucher, merkt zu Mitte der 90er-Jahre auch der erfolgsverwöhnte DIY-Handel: Stagnierende und sogar rückläufige Umsätze treffen die Branche hart.